Noch radikaler als vielfach erwartet, hat die niederländische Regierung auf die zunehmenden Erdbeben in der Groningen-Region reagiert. Wirtschaftsminister Eric Wiebes beschreibt in einem 23seitigen Brief an das Parlament, wie die Produktion bis 2030 vollständig eingestellt werden soll. Bis Oktober 2022 soll die Jahresproduktion auf unter zwölf Mrd. m3/a auch in einem kalten Jahr reduziert werden. Die niederländische Bergbauaufsicht hatte eine Absenkung auf diesen Wert empfohlen, um weitere Erdbeben weitgehend auszuschließen. Dann soll die Produktion schon im Gasjahr 2022/23 auch bei kaltem Wetter auf 7,5 Mrd. m3/a sinken. In einem Normaljahr sollen zu dem Zeitpunkt weniger als fünf Mrd. m3/a produziert werden.
Die aus deutscher Sicht sehr positive Nachricht dabei: Zusätzliche Maßnahmen zur Beschleunigung der Marktraumumstellung oder Investitionen in Anlagen zur Beimischung von Stickstoff oder der Mischung von H-Gas und L-Gas fordern die Niederlande nicht: „Der Umstellungsprozess könne nicht weiter beschleunigt werden“, schreibt das Ministerium auf seiner Internetseite. Das Ministerium nennt eine Ausnahme: Die vorzeitige Umstellung eines großen Kraftwerks von L-Gas auf H-Gas werde derzeit in Deutschland geprüft, der Name des Projektes wird nicht genannt. Und: Ganz ohne einen deutschen Beitrag soll es auch bei den Investitionen nicht gehen. Die niederländische Regierung erwartet, dass die beiden vom EWE-Konzern vorgeschlagenen Projekte einer Beimischung von H-Gas und einer Anlage zur Stickstoff-Beimischung realisiert werden. Dadurch könnten 1,7 Mrd. m3 L-Gas eingespart werden. EWE hatte die Projekte im Februar in den Niederlanden präsentiert. Das Projekt der Anlage zur Beimischung von H-Gas ist im Entwurf zum Netzentwicklungsplan (NEP) Gas 2018-2028 enthalten, die Anlage zur Stickstoffbeimischung nicht. In Deutschland hatte es durchaus kritische Stimmen über das „Vorpreschen der EWE“ mit den Projekten in den Niederlanden gegeben.
Das Ministerium geht davon aus, dass die Nachfrage nach L-Gas außerhalb der Niederlande durch die Umstellungsprozesse in den kommenden Jahren um zwei Mrd. m3/a sinken werde. In den Niederlanden sollen vor allem zwei Maßnahmen eine Absenkung der Produktion ab 2022 ermöglichen: 53 große Industrieunternehmen sollen bis dahin ihren Gasbezug auf H-Gas umstellen. Allein die Umstellung der acht größten Unternehmen reduziere die L-Gas-Nachfrage um 2,4 Mrd. m3/a. Stellen alle 53 Unternehmen um, sinke die Nachfrage um insgesamt 3,4 Mrd. m3/a. Zudem solle in Zuidbroek eine zusätzliche Anlage zur Stickstoffbeimischung gebaut werden. Die Anlage soll ab Oktober 2022 zur Verfügung stehen, 500 Mio. Euro kosten und sieben Mrd. m3 L-Gas pro Jahr ersetzen können. Nach 2022 müssen dann verstärkt Haushalte in den Niederlanden auch in bestehenden Gebäuden „gasfrei“ werden, wie das Ministerium schreibt. Die Handelspreise haben am Tag der Ankündigung des Planes kaum reagiert. Entschieden ist bisher auch nichts, erst einmal wird im Mai das Parlament über den Brief diskutieren.