Am 13.06.2017 fand in Bielefeld das 4. Treffen der Dienstleistungsinitiative Erdgasumstellung statt. Über 80 Teilnehmer, darunter von der Marktraumumstellung betroffene Netzbetreiber, Umstellungsdienstleister und weitere Marktakteure, haben die Möglichkeit genutzt, sich über aktuelle Entwicklungen im Dienstleistungsmarkt auszutauschen.
Nach einer Begrüßung durch Herrn Randulph Noack (Stadtwerke Porta Westfalica GmbH u. Sprecher der ARGE EGU), präsentierte Herr Prof. Dr. Joachim Müller-Kirchenbauer (TU Berlin) den neuen Zeitplan der Erdgasumstellung. Er gab den Teilnehmern u. a. Einblicke in die Änderungen des Netzentwicklungsplans (2. NEP 2016) und die Zahlen des Umsetzungsberichts 2017. Aufgrund von zunehmenden Erdbebenaktivitäten in den Niederlanden hat das niederländische Kabinett eine weitere Absenkung der maximalen Produktionsmenge eingeleitet. Die Kompensation der niederländischen Produktionsausfälle wirkt sich laut Herrn Prof. Dr. Müller-Kirchenbauer durch einen höheren Bedarf an kompensierenden Importmengen auch auf die H-Gas Versorgung aus. Er kam zu folgendem Resümee: Es gibt noch eine Menge ungeklärte Punkte im NEP, die Anpassungen sind nicht nachvollziehbar dokumentiert. Schließlich kam er zu dem Fazit, dass aufgrund der zugespitzten Herausforderungen und des engeren Zeitrahmens ein „Plans B mit Risikobewertung“ benötigt wird.
Im Anschluss an den Vortrag von Herrn Prof. Dr. Müller-Kirchenbauer wurde die Anpassung der Umstellungsplanungen durch Herrn Ulrich Ronnacker (Open Grid Europe GmbH) vorgestellt. Ein „Plan B“ sei hier keine Alternative, er sieht die Marktentwicklungen jedoch positiv und hält den bisherigen Zeitrahmen für machbar. Allerdings könne die Planung nur gehalten werden, wenn der Ausbau der Ferngasleitung „Zeelink“ wie geplant verläuft. Dennoch solle es nun keine weitere Beschleunigung der Marktraumumstellung mehr geben, zudem sei eine engere Abstimmung mit der niederländischen GTS wünschenswert. Generell sei das Mengenproblem Treiber der MRU und nicht die Leistungsverfügbarkeit. Insgesamt sei zusätzliche Unterstützung durch die Bundesnetzagentur und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gewünscht, so Herr Ronnacker aus Sicht der Fernleitungsnetzbetreiber.
Die Frage von Herrn Peter Bergmann, BBHC, warum es dann nicht mehr Überlegungen zur technischen Konvertierung gäbe, beantwortete Herr Ronnacker so: Eine zentrale Anlage in den Niederlanden für Konvertierung für Exportfälle sei bereits vorhanden, jedoch würde eine zweite Ausbaustufe 600 Mio. Euro kosten. Dies sei eine Entscheidung der NL, Deutschland habe keine vergleichbaren zentralen Konvertierungsanlagen wie im niederländischen Ommen. Die Anlage in Ommen werde noch ausgebaut, in Deutschland habe man jedoch keine Erfahrung mit solchen Projekten. Daher müsse für den Bau einer vergleichbaren Anlage zunächst ein Standort gefunden und entwickelt werden; zudem existierten die benötigten Einspeisepunkte bislang nicht. Die Bauzeit für eine Großanlage wäre 5-6 Jahre ab 2018, das lohne nicht mehr. Kleinere Anlagen in Teilnetzen seien möglich, stellten aber nur ad-hoc Lösungen dar.
Nach der Mittagspause läutete Herr Michael Rabenau (BBHC) den zweiten Block der Veranstaltung ein. Herr Rabenau erläuterte den aktuellen Stand und die bisherige Entwicklung des Dienstleistungsmarktes. In den letzten 2,5 Jahren sei die Zahl der zertifizierten Dienstleister von 4 auf aktuell 28 Unternehmen gestiegen. Im Jahr 2017 seien zudem bereits 33.000 Geräte angepasst worden. Zum Thema der technischen Störungen in den laufenden Projekten gab Herr Rabenau folgende Zahlen bekannt: Bei 10.000 Geräten in Nienburg traten bei 270 technische Störungen auf, dies entsprich einer Quote von 3%. Damit ist die Anzahl der technischen Störungen tendenziell recht gering. Bei einer Übersicht der in 2017 laufenden Projekte wurden die Hauptprobleme durch fehlendes Material aufgrund langer Lieferzeiten bzw. eine noch nicht eingespielte Logistik verursacht. Weitere Engpässe in der Umsetzung wurden durch eine hohe Personalfluktuation, fehlende Ausbildungskonzepte, zu wenig erfahrene Monteure und das Problem der nicht vorhandenen praktischen Übung hervorgerufen. Stand heute hält Herr Rabenau die MRU mit den vorgegebenen Zahlen jedoch für machbar.
Direkt im Anschluss stellten Herr Christian Thole (BBH) und Herr Daniel Hermann (BBHC) die Ableitungen aus den Ausschreibungsverfahren und laufenden Projekten vor. Die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens und die Aufnahme der Arbeit der Dienstleister seien die wesentlichen Meilensteine, so Herr Thole. Er stimmt der Aussage des DVGW zu, die Ausschreibung mindestens 5 Jahre vor dem Schalttermin durchzuführen, ergänzt um die Empfehlung, die Aufnahme der Arbeit durch die Dienstleister auf 4 Jahre vor dem Schalttermin zu terminieren. Herr Thole nimmt an, dass das Preisniveau im Verlauf der MRU sukzessive ansteigen wird, auch die Leistungsangebote der Bieter werden sich annähern.
Im Vortragsteil von Herrn Hermann lag der Schwerpunkt auf einer nötigen Intensivierung der Diskussion der betroffenen Marktteilnehmer mit den Netzbetreibern sowie der Notwendigkeit einer frühzeitigen Planung aufgrund der langen Vorlaufzeiten. Die Prozesse und Aufgaben sollten insgesamt klar definiert und die regulatorischen Prozesse übersichtlich dargestellt werden. Aus seiner Praxiserfahrung ist besonders die Benennung fester Ansprechpartner auf Seiten des Netzbetreibers und des Dienstleisters nötig. Eine klare Regelung der internen Zuständigkeiten im Vorfeld sowie die Definition der einzelnen Prozesse und Aufgaben hilft einem reibungslosen Ablauf des Projektes. Am Beispiel des kürzlich erschienenen fehlerhaften Artikels in Focus.online wies Herr Hermann erneut auf die Bedeutung der frühzeitigen, proaktiven Pressearbeit durch die Netzbetreiber hin.
Im Anschluss präsentierte Herr Prof. Christian Held (BBH) den Teilnehmern ein Konzept zur unternehmensübergreifenden Personalüberlassung. Das Problem stelle grundsätzlich der Personalkapazitätsbedarf auf dem Markt dar. Eine Personalüberlassung kann durch drei mögliche Konzepte realisiert werden. Die Personalvermittlung aufbauend auf einer Unternehmensgründung durch die Umstellungs-Dienstleister als erstes, der sogenannte Arbeitskräfte-Pool als zweites und die Mischform, eine Kombination der ersten beiden Lösungsansätze, als drittes Konzept. Herr Prof. Held präsentierte die Vor- und Nachteile der jeweiligen Konzepte, grundsätzliche Fragestellungen und zuletzt das weitere Vorgehen.
Am Nachmittag begann der dritte Block, eine offene Diskussionsrunde für alle Umstellungsdienstleister unter der Moderation von Herrn Randulph Noack und Herrn Prof. Christian Held. Die Kernfrage lautete: „Was wollen wir gemeinsam erreichen?“.
Zu Beginn der Diskussionsrunde zog Herr André Hartke, Geschäftsführer der Enermess, Energie Mess- und Servicedienste GmbH, ein Fazit zu seinen bisherigen Erfahrungen:
- Er sieht die Themen DVGW-Handbuch und Materiallogistik als größte Herausforderung
- Zur Zeit werden mehr Monteure und Projektmanager benötigt, als geplant, da die Prozesse noch nicht optimiert sind
- Die Materialbereitstellung funktioniert soweit recht gut
- Das DVGW-Handbuch muss optimiert werden, um eine höhere Effektivität erreichen zu können
- Die Enermess GmbH entwickelt sich und ihre Mitarbeiter laufend weiter, er hofft jedoch auf mehr Verständnis bei den Auftraggebern, weil viele Mitarbeiter in den laufenden Projekten erst qualifiziert werden können
- Aus seiner Sicht sind die vorgezogenen Zeiträume schwierig, da sich im Jahr 2019 alles ballt und die Personalentwicklung damit deutlich schneller erfolgen muss, als zunächst gedacht
- Die Suche nach geeigneten Monteuren über die Arbeitsagenturen ist sehr schwierig, da diese nicht vernetzt sind und die Qualifikationen der Bewerber häufig nicht ausreichen
- Aus seiner Sicht ist das Thema MRU eine große Herausforderung, aber die Hersteller sind in der Planung schon recht weit fortgeschritten
- Besonders das Thema Ersatzteile steht dabei im Fokus, es gibt immer noch Probleme mit dem bislang ungeklärten Thema des handwerklichen Umbaus von Ersatzteilen
- Als Vertreter des BDH setzt er folgenden Fokus: Eine enge Kommunikation der Erhebungs-Dienstleister mit den Herstellern ist sehr wichtig, sie brauchen die Daten so früh wie möglich
- Die Zahl von 550Tsd Geräten ist sehr herausfordernd, die Prozesse müssen dringend optimiert werden, damit die Hersteller rechtzeitig die Teile fertigen können
Ein weiterer Erfahrungsbericht erfolgte durch Herrn Herbert Kuschel, Leiter Marktraumumstellung bei der Firma Vaillant:
Nach einem ausgiebigen Austausch unter den Teilnehmern bildete Herr Prof. Held ein abschließendes Statement: Die Politik sei aufbauend auf die dynamische Entwicklung im Markt dazu aufgefordert, die Probleme und offenen Fragen der MRU stärker wahrzunehmen und sich in die Diskussion vermehrt einzubringen. Als positives Fazit sieht er aber die bisherige Entwicklung des Marktes und die stetig besser werdende Zusammenarbeit der verschiedenen Stakeholder.