Am Mittwoch, den 22. Mai 2019, morgens hat die Erde in der Region Groningen wieder gebebt. Mit einem Wert von 3,4 auf der Richterskala war das Beben genauso stark wie das Beben Anfang Januar 2018, das in den Niederlanden den Beschluss über den kompletten Ausstieg aus der Erdgasproduktion in dem Groningen-Feld bis 2030 ausgelöst hat.
Bei dem neuen Erdbeben kamen Menschen nicht zu Schaden. Gemäß niederländischen Presseberichten wurden 90 Häuser beschädigt. Das Beben hat in den Niederlanden die Diskussion über einen noch schnelleren Ausstieg aus der Produktion neu belebt. Der niederländische Wirtschaftsminister Eric Wiebes wurde im Parlament von Abgeordneten heftig angegriffen, weil er bei seinem Besuch in Groningen keine Sofortmaßnahmen angekündigt habe. Wiebes hatte in Groningen aber auch gesagt, er wisse, auch ohne ein neues Erdbeben, dass der Ausstieg aus der Produktion noch schneller gehen müsse als bisher geplant. Im Juni will Wiebes mögliche neue Maßnahmen ankündigen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums hatte dem Nachrichtendienst S&P Global Platts gesagt, das Ministerium sei dabei nach weiteren Maßnahmen zu suchen, um den Prozess zu beschleunigen.
Beobachter und Analysten sind sich einig, dass nach dem Erdbeben der öffentliche Druck auf die Regierung deutlich zunehmen wird. Sie sind sich aber auch einig, dass die Möglichkeiten begrenzt sind, wenn die Versorgungssicherheit mit L-Gas nicht gefährdet werden soll. Mögliche konkrete Maßnahmen werden bisher in den Niederlanden auch nicht öffentlich diskutiert. Die Obergrenze für das aktuelle Gaswirtschaftsjahr beträgt 19,4 Mrd. m3. Für das kommende Gaswirtschaftsjahr soll sie auf 15,9 Mrd. m3 sinken. Ab Oktober 2022 soll die maximale Produktion nur noch zwölf Mrd. m3 betragen. Der starke Rückgang ist durch die Marktraumumstellung in den Nachbarländern, den Aufbau neuer Kapazität zur Produktion von Pseudo-L-Gas durch die Beimischung von Stickstoff zu H-Gas sowie eine Umstellung der industriellen Großverbraucher auf H-Gas oder andere Brennstoffe möglich.
Die Handelsmärkte reagierten auf die Erdbebennachricht am 22. Mai sehr entspannt. Die Preise stiegen an dem Tag zwar leicht an, aber ein wirklicher „Groningen-Effekt“ war nicht zu beobachten. Händler glauben nicht an weitere Produktionskürzungen.
Die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber müssen wohl ihre Risikobewertung anpassen. In dem Umsetzungsbericht zum Netzentwicklungsplan Gas 2018 – 2028 schrieben sie über die Risiken neuer Erdbeben: „Ein entsprechender Zusammenhang zwischen Eintrittswahrscheinlichkeit eines stärkeren Erdbebens und der Fördermenge in Groningen wurde durch die niederländische Fördergesellschaft NAM untersucht. Danach kann davon ausgegangen werden, dass sich zusammen mit der Groningen-Produktion die Erdbebengefahr entsprechend reduziert“. Die Einschätzung muss man wohl zumindest noch mal überdenken.