Am 14. Juni fand das mittlerweile 9. Treffen der Dienstleistungsinitiative der Arbeitsgemeinschaft Erdgasumstellung (ARGE EGU) in Bielefeld statt. Rund 70 Vertreter von Stadtwerken, Verteilnetzbetreibern, Geräteherstellern und Dienstleistern diskutierte lebhaft die aktuellen Themen der Marktraumumstellung. Ein Thema war die Auswirkung der aktuellen Gasversorgungskrise auf den Umstellungsprozess. Die Fernleitungsnetzbetreiber versichern, die aktuelle Gasversorgungskrise habe keine Auswirkungen. Christian Thole, Partner der Anwälte Becker Büttner Held (BBH), der die ARGE EGU betreut, zeigte allerdings in seinem Vortrag beim Treffen der Dienstleistungsinitiative der Arbeitsgemeinschaft Erdgasumstellung (ARGE EGU) eine Reihe unmittelbarer und mittelbarer Risiken der aktuellen Krise für den Umstellungsprozess auf. „Gas aus Russland ist aktuell extrem negativ besetzt“, sagte er. Dies führe mit Sicherheit dazu, dass im Rahmen des Umstellungsprozesses verstärkt Fragen nach der Herkunft des Gases kommen. Dazu kommen die sehr hohen Gaspreise. Thole hält spezielle Schulungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hotlines für sinnvoll. Er erwartet, dass sich vor allem das Verhalten von Kunden ändern wird, deren Geräte nicht mehr angepasst werden können. Die Nachfrage nach Gaskesseln sei ohnehin so gering wie noch nie.
Bei dem Austausch nicht anpassbarer Geräte könnt auch eine zu erwartende gesetzliche Neuregelung zu deutlichen Erschwernissen führen. Die Bundesregierung plant, ab dem 1. Januar 2024 für jede neu eingebaute Heizung einen Anteil von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien vorzuschreiben. Der Entwurf einer Novelle des Gebäudeenergiegesetzes mit einer entsprechenden Neuregelung wird noch im Laufe dieses Jahres erwartet. Thole glaubt nicht an eine generelle Ausnahmeregelung für die L-/H-Gas Umstellung in dem Gesetz, auch wenn dies für den Prozess ideal wäre. Vermutlich wird ein Ersatz nicht anpassbarer Geräte durch Gaskessel allein im Rahmen einer Härtefallregelung möglich sein. Thole sieht zudem durchaus die Möglichkeit einer Verzögerung des Umstellungsprozesses bei einer Verschärfung der Gasversorgungskrise, um dann die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen. Frank Heunemann, Geschäftsführer des Fernleitungsnetzbetreibers Nowega versicherte aber, in den L-Gas Gebieten seien die Kunden nicht besser vor möglichen Abschaltungen geschützt als in H-Gas Netzgebieten.
Operativ, so Michael Rabenau von BBH Consulting, funktioniert der Umstellungsprozess grundsätzlich weitgehend reibungslos. Er vermutet aber, dass die steigenden Preise zunehmend zu Diskussionen zwischen den Netzbetreibern und den Dienstleistern führen werden: „Sprechklauseln oder Wirtschaftlichkeitsklauseln werden gezogen werden“, erwartet er, da in der Regel Preisanpassungsklauseln in den Dienstleistungsverträgen fehlen. Organisatorisch wird die Veränderung des Umstellungsprozesses durch die Fernleitungsnetzbetreiber (FNBs) zu Herausforderungen führen. Der Umstellungsprozess soll schon 2029 abgeschlossen werden, 2027 entsteht dadurch noch einmal eine Umstellungsspitze mit 561.000 Geräten. Da in dem Zeitraum nicht mehr viele Erhebungen stattfinden, lassen sich die Monteure nicht mehr gut auslasten: „Was macht man mit den Leuten?“ lautete Rabenaus rhetorische Frage.
Intensiver diskutiert wurde bei dem Treffen auch über die Anpassung von Sondergeräten. Solche Geräte können nicht von den Dienstleistern im Rahmen des normalen Umstellungsprozesses angepasst werden. Es ging zum einen um Geräte, bei denen die Hersteller die Anpassung übernehmen, aber auch Spezialgeräte, bei denen die Anpassung technisch komplexer ist und durch spezialisierte Unternehmen durchgeführt werden muss. Gebläsebrenner sind ein Beispiel, das während der Konferenz mehrfach genannt wurde. Grundsätzlich funktionieren die entsprechenden Prozesse, sie können aber sehr zeitaufwendig sein. In Einzelfällen bestehen Abstimmungsprobleme zwischen dem technischen Projektmanagement und den Herstellern sowie unklare Zuständigkeiten. Ferner fehlten, beklagten Vertreter von Unternehmen des technischen Projektmanagements, einheitliche Regeln durch die Netzbetreiber als Vergabeunternehmen. Auch Haftungsrisiken sind zu klären, zumal die Netzbetreiber bei der Übernahme von Haftungsrisken sehr zurückhaltend sind: „Es geht etwas, aber nicht alles“, sagte Thole. Der generelle Tenor war die Forderung nach einem Stück Pragmatismus, um die diversen Spezialprobleme bei der Umstellung von Sondergeräten zu lösen.
Am 3. November tagt die Initiative wieder in Bielefeld. Dann steht das Thema Wasserstoff in Verteilnetzen im Mittelpunkt.