Dem Wärmemarkt in Deutschland stehen fundamentale Wandlungsprozesse bevor. Dies wurde bei der mit 90 Teilnehmenden sehr gut besuchten Fachtagung Erdgasumstellung und Wasserstoff der ARGE Erdgasumstellung deutlich. Alexander Schuh, bei Vaillant Deutschland für das Verbandsmanagement verantwortlich, spitzte dies wie folgt zu: „Für den Wärmeerzeugermarkt ist dies die dynamischste Zeit nach dem zweiten Weltkrieg“. Die Ablösung von Erdgasheizungen durch andere Systeme nimmt deutlich an Fahrt auf. Dabei dominieren derzeit Wärmepumpen. Bis Ende September wurden in Deutschland 158.000 neue Wärmepumpen eingebaut. Bis Ende des Jahres, zeigte sich Schuh überzeugt, werden 230.000 Geräte installiert sein. Sechs Millionen Wärmepumpen bis 2030 hält Schuh für durchaus erreichbar. Allerdings muss dann auch der notwendige Ausbau der Stromnetze erfolgen.
Erdgasbasierte Systeme werden im Wärmemarkt keine Chance mehr haben. Dafür wird schon eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes sorgen, die ab dem 1.1.2024 grundsätzlich einen Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien bei allen neu eingebauten Heizungen vorschreiben wird. Über die Umsetzung dieses Vorhabens wird allerdings noch heftig zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), dem Bundesbauministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sowie den verschiedenen Marktteilnehmern gestritten. Im Juli hatten die beiden Ministerien ein Konzeptpapier zur Umsetzung der 65-Prozent-Regelung vorgelegt. Erst auf Druck des BMWSB wurde in das Konzept eine Option aufgenommen, die eine Nutzung von gas- und wasserstoffbasierten Systemen als gleichrangige Lösung zu Wärmepumpen, Wärmesystemen und Stromdirektheizungen zulässt. Über 180 Stellungnahmen wurden zu dem Konzept abgegeben. Der Entwurf für eine GEG-Novelle verzögert sich wohl auch deshalb. Ende November, so Schuhs Prognose, könnte er veröffentlicht werden.
Ob Wasserstoff im Wärmemarkt zukünftig eine Rolle spielen wird, wurde von den Rednern auf der Tagung sehr unterschiedlich eingeschätzt. Die Industrie will Ende 2025 Geräte anbieten, die mit einem Umbausatz innerhalb von einer Stunde auf eine Wasserstoffnutzung umgerüstet werden können. Malte Grunwald, vom Fernleitungsnetzbetreiber Gasunie Deutschland zeigte sich sehr zurückhaltend zum Einsatz im Wärmemarkt, wollte dies aber auch nicht ausschließen: „Wir werden den Wasserstoffnetzaufbau über den Bedarf der Großindustrie beginnen“, erläuterte er. Auch die Stadtwerke Schwerte gehen nicht davon aus, dass Wasserstoff im Wärmemarkt ein wesentlicher Faktor ist. Sebastian Kirchmann, Geschäftsführer der Stadtwerke erläuterte auf der Tagung das „Pilotproject Zukunftsstadtwerk Schwerte“, das gemeinsam mit BBH und BBH Consulting durchgeführt wird. „Wir werden für den Wärmemarkt vor allem die Fernwärme ausbauen“, nannte Kirchmann die Zukunftsstrategie. Deutlich optimistischer ist man bei der DVGW-Initiative H2 vor Ort. „Schon 2029 werden erste Verteilnetzbetreiber zu 100 Prozent auf Wasserstoff umstellen“, kündigte Philipp Ginsberg, Referent Energiepolitik beim DVGW e.V., an. An der Initiative, sind aktuell rund 180 Stadtwerke beteiligt. Ihr Argument für die Nutzung von Wasserstoff im Wärmemarkt: Da an viele Verteilnetze auch Industrieunternehmen angeschlossen sind, die Wasserstoff in Zukunft benötigen, sei es sinnvoll die Verteilnetze auch zur Versorgung von Haushalten mit Wasserstoff zu nutzen. Wasserstoff werde ausreichend verfügbar sein. Peter Bergmann Vorstand von BBH Consulting betonte, es gebe nicht die eine Lösung für jede Kommune. Die zukünftigen Wärmekonzepte seien ein vielfältiges Puzzle-Spiel, bei denen man keine Lösung ausschließen solle. Einig waren sich alle Redner, dass die geplante verpflichtende kommunale Wärmeplanung dabei eine ganz wesentliche Rolle spielen wird. Auch da hinkt der Gesetzgeber seinem eigenen Zeitplan hinterher. Der Gesetzesentwurf sollte schon Ende Oktober 2022 vorliegen, erläuterte Sebastian Holst, Anwalt bei BBH. Kirchmann plädierte klar dafür, dass Stadtwerke bei der kommunalen Wärmeplanung versuchen müssen im Fahrersitz zu sitzen: „In Schwerte könne wir dies, da wir im Rahmen des Projektes Zukunftsstadtwerk alle nötigen Daten erhoben habe und genau wissen, wie die aktuelle Wärmeversorgung der Stadt aussieht“, betonte er. In einem weiteren Punkt waren sich alle Redner einig: Die Politik ist bei der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen für einen Wasserstoffmarkt viel zu zögerlich.