Die L-Gas Produktion in Groningen könnte noch schneller und stärker sinken als bisher geplant. Dies hat der niederländische Wirtschaftsminister Eric Wiebes in einem Brief an das niederländische Parlament vom 6. Juni erläutert. Bisher stand der Vorschlag der niederländischen Regierung von Ende März im Raum, bis zum Oktober 2022 in einem kalten Jahr die maximale Produktion in dem Groningen-Feld auf 12 Mrd. m3/a zu reduzieren. In einem warmen Jahr würden dann nur 7,5 Mrd. m3 produziert werden. Nach 2022 soll die Produktion ohnehin schnell weiter fallen. Nun hat der Minister noch einmal nachgerechnet. Im Jahr 2022 könnte die maximale Produktion 7,5 Mrd. m3/a betragen, in einem warmen Jahr nur noch vier Mrd. m3/a.
Im Grunde hat das Ministerium wirklich nur neu gerechnet. Die L-Gas-Exporte nach Deutschland, Belgien und Frankreich gehen durch die Marktraumumstellung ohnehin zurück; das niederländische Wirtschaftsministerium geht davon aus, dass es rund zwei Mrd. m3/a sind. Die beiden wesentlichen Maßnahmen, mit denen in den Niederlanden eine sehr starke Reduktion der L-Gas Produktion erreicht werden soll, sind der Bau einer neuen Anlage zur Stickstoffbeimischung in Zuidbroek und eine vorrangige Umstellung von industriellen Großverbrauchern. Die Anlage in Zuidbroek soll zum 1.10.2022 fertig sein und fünf bis sieben Mrd. m3 L-Gas pro Jahr ersetzen. Durch die Umstellung der 53 größten industriellen Verbraucher sollen 3,4 Mrd. m3 L-Gas Nachfrage pro Jahr entfallen. Dank des Exportrückgangs und der beiden genannten Maßnahmen, würde laut Wiebes im Oktober 2022 eine Groningen-Produktion von 7,5 Mrd. m3 ausreichen. In dem Brief sind aber auch weitere Maßnahmen aufgeführt, mit denen die benötigte Produktion bis 2022 deutlich weiter sinken könnte. Darunter sind auch die beiden Projekte der GTG Nord zur Mischung von H-Gas und L-Gas sowie einer Mischung von H-Gas und Stickstoff. Grundsätzlich hatte der Minister auch diese Maßnahmen schon Ende März genannt: „Alles nichts Neues und keine echten Entscheidungen“, kommentierte ein niederländischer Marktteilnehmer. Einen endgültigen Entwurf für einen Beschluss über die weitere Groningen Produktion wird der Minister dem Parlament erst Ende August vorlegen.
Aber bei dem niederländischen Fernleitungsnetzbetreiber Gasunie Transport Services (GTS) laufen bereits die Planungen zur Umsetzung. Dies hatte Dr. Martin Hofmann, Leiter Assetmanagement bei der Gasunie Deutschland Transport GmbH (GuD), im Rahmen seines Vortrags bei der Dienstleistungsinitiative Erdgasumstellung der ARGE EGU im Juni in Bielefeld erläutert. Dr. Hofmann betonte, dass die Planungen in den Niederlanden von einer nationalen Lösung ausgingen. Dies zeigt auch Wiebes Brief von Anfang Juni. In Deutschland seien aber – so Dr. Hofmann – unterstützende Maßnahmen notwendig und sinnvoll. Dazu gehöre die Mischung von H-Gas und L-Gas, die im Rahmen interner Regelenergiebereitstellung erfolge. GuD hat in Ganderkesee dazu gerade eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen.
Der Prozess bleibt mit Unsicherheiten verbunden. Vor diesem Hintergrund lässt sich fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, Verteilnetzbetreiber in Deutschland bei einem Ausbau von L-Gas-Netzen sehr weitgehend zu beschränken und die damit verbundenen Kosten regulatorisch nicht mehr anzuerkennen. Dies sieht der Entwurf einer Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vor, der Teil des sog. „100-Tage-Gesetzes“ ist und ursprünglich noch vor der Sommerpause verabschiedet werden sollte. „Dies muss intensiv diskutiert werden, weil es von grundlegender Bedeutung für die deutsche Gaswirtschaft ist“, so Prof. Christian Held, Partner der Kanzlei Becker Büttner Held, bei der Dienstleistungsinitiative Erdgasumstellung in Bielefeld. Die Regelung könnte dramatische Folgen für Verteilnetzbetreiber haben, deren Netze spät umgestellt werden.
Was nicht übersehen werden sollte: Die Produktion in Groningen sinkt bereits. Für das laufende Gaswirtschaftsjahr wird sie nach Einschätzung der niederländischen Bergbauaufsicht SodM bei 19 bis 20 Mrd. m3 liegen. 21,6 Mrd. m3 wären gemäß den noch gültigen genehmigten Plänen erlaubt gewesen.