Deutschland benötigt im laufenden Gaswirtschaftsjahr 1,1 Mrd. m³ mehr L-Gas aus den Niederlanden als prognostiziert. Dies haben Vertreter der Fernleitungsnetzbetreiber (FNBs) ihren niederländischen Kollegen bei einer Sitzung der Task Force L-Gas Conversion mitgeteilt. Der niederländische FNB, Gasunie Transport Services (GTS) beschreibt dies in einem Bericht über die Entwicklung der benötigten L-Gas Mengen im Gaswirtschaftsjahr 2021/22. Gasunie hat den Bericht am 3. Januar dem Wirtschaftsminister, zu dem Zeitpunkt noch Stef Blok übermittelt. Blok hat ihm einen Brief vom 6. Januar an die zweite Kammer des niederländischen Parlamentes angehängt. Die deutschen FNBs haben drei Gründe für den höheren L-Gas-Bedarf genannt: Die deutsche L-Gas-Produktion sei geringer als erwartet, die prognostizierte Steigerung der Energieeffizienz von ein bis zwei Prozent sei nicht eingetreten und die deutschen L-Gas-Speicher seien mit einem niedrigeren Füllstand als geplant in den Winter gestartet. GTS schreibt in dem Bericht, die ersten beiden Faktoren könnten auch in den kommenden Jahren zu einer höheren L-Gas-Nachfrage führen. Eine förmliche Mitteilung des deutschen Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz über den erhöhten Bedarf lag bei Abgabe des Berichts wohl noch nicht vor.
Stef Blok hatte die Informationen aber offensichtlich schon vorab erhalten und direkt nach Weihnachten seinem deutschen Kollegen Dr. Robert Habeck einen eher unfreundlichen Brief geschrieben, wie das Handelsblatt berichtet. Eine Erhöhung der Lieferungen nach Deutschland stelle ein Risiko für die niederländische Versorgungssicherheit dar und könne erhebliche Debatten auslösen, zitiert das Handelsblatt.
Die zusätzliche deutsche Nachfrage ist aber nicht der einzige – und nicht einmal der wichtigste Grund – warum die Begrenzung der Produktion auf 3,9 Mrd. m³ in Groningen im laufenden Gaswirtschaftsjahr nicht zu halten sein wird. Durch die Verschiebung der Inbetriebnahme der Mischstation in Zuidbroek vom 1. April auf den1. Juli und Mitte August werden zusätzlich zwei Mrd. m³ Erdgas aus Groningen benötigt. In Zuidbroek wird durch die Beimischung von Stickstoff zu H-Gas sogenanntes Pseudo-L-Gas erzeugt. Die Verschiebung der Inbetriebnahme, in der bis zu 10 Mrd. m³ Pseudo-L-Gas pro Jahr erzeugt werden können, hatte Blok im November bekannt gegeben. Da andererseits weniger L-Gas gespeichert wird, ergibt sich insgesamt durch die beiden Effekte eine Gesamtproduktion von sechs Mrd. m³ im Gaswirtschaftsjahr 2021/22. Sie könnte sogar auf 7,6 Mrd. m³ steigen, wenn der Speicher Grijpskerk schnell mit L-Gas befüllt werden soll. Dies wird in Erwägung gezogen, da dann das Groningen-Feld schon am 1. Oktober 2023 oder am 1. Oktober 2024 komplett geschlossen werden kann. Ohne Grijpskerk als „Back-Up“ wird in Groningen mindestens bis 2025, eventuell bis 2028 eine Restproduktion benötigt, um für unvorhergesehene Fälle gewappnet zu sein. Über den neuen Produktionsplan und eine mögliche Ausweitung der Menge muss Bloks Nachfolgerin Micky Adriaansens vor dem 1. April 2022 entscheiden, wie Blok dem Parlament schreibt.